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Landrat Heinrich Eggers am 17. März 2007

Gesicht zeigen für Demokratie – mit Courage

Gesicht zeigen für Demokratie – mit Courage

Veranstaltung am 17. März 2007

Ansprache Landrat Heinrich Eggers

Anlässlich des Aktionstages "Gesicht zeigen für Demokratie - mit Courage" am 17. März 2007 in Nienburg (Weser) hielt Landrat Heinrich Eggers eine Rede, die viel Beachtung fand. Sie soll deshalb an dieser Stelle mit der freundlichen Erlaubnis von Herrn Eggers veröffentlicht werden.


  Gesicht zeigen. Für Demokratie – mit Courage. Unter diesem Motto haben die Veranstalter der heutigen Demonstration und des heutigen Aktionstages gegen den Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft aufgerufen.

 Zu Recht aufgerufen, denn es darf nicht sein, dass sich extreme politische Positionen in aller Öffentlichkeit gegen die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft richten, ohne unseren Widerstand hervorzurufen.  

 Zu Recht ist in den Resolutionen des Stadtrates und des Kreistages die zentrale Forderung, angesichts der offensichtlich sich verstärkenden Aktivitäten rechtsextremistischer Organisationen und Parteien weder wegzuhören noch wegzusehen, auch wenn der für den heutigen Tag ursprünglich vorgesehene Aufmarsch der NPD in dieser Stadt abgesagt worden ist.

 In der Resolution des Kreistages heißt es, er halte es für ein dringendes Gebot der Stunde, dass die demokratischen Kräfte gemeinsam gegen alle Art von Gewalt vorgehen, Extremisten Einhalt gebieten und für den Schutz der Menschen in unserem Land eintreten. Deshalb werde der für den 17. März in der Stadt Nienburg geplante Aktionstag vom Kreistag nachhaltig unterstützt.

Wer die jüngsten Umtriebe rechtsradikaler Organisationen, wer den Heisenhof in Dörverden, die errungenen Mandate in Landesparlamenten und kommunalen Räten nicht als Drohung einer sich wieder stärkenden politischen Extreme sehen will, der wird wohl auch verdrängt und vergessen haben, was die Rechtsradikalen des Dritten Reiches in ihrer menschenverachtenden Ideologie und Verblendung angerichtet haben.

 Weghören und wegsehen – Verdrängen und Vergessen – diese Haltungen sind wie siamesische Zwillinge untrennbar aneinander gekettet. Wir aber stehen gegen das Verdrängen und Vergessen und halten auch diesen Teil unserer Geschichte, so schmerzlich er auch zu ertragen ist, wach in unserer Erinnerung.

 Geschichte ist das Arsenal unserer Erfahrungen; man muss sie kennen, um aus ihr bestätigt oder gewarnt zu werden. Dieser Satz findet sich bei Eugen Kogon.

 Eugen Kogon, 1903 in München geboren, Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler, gilt als einer der intellektuellen Väter der Bundesrepublik Deutschland.

 In den frühen Jahren des Dritten Reiches wurde er mehrfach von der Geheimen Staatspolizei, der Gestapo, wegen seiner Arbeit für antinationalsozialistische Kräfte außerhalb des Reichsgebiets verhaftet. Im September 1939 erfolgt seine Deportation in das KZ Buchenwald. Sechs Jahre später, 1945 wird er durch die Amerikaner befreit.

 Bereits 1946 erscheint sein Werk Der SS-Staat, das auch heute noch als Standardwerk über die NS-Verbrechen gilt. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und allein über 500.000mal in deutscher Sprache verkauft.

 Im Klappentext der 1974 erschienenen ersten Taschenbuchausgabe heißt es: Dieses Werk will in die Erinnerung zurückrufen, welches die Merkmale eines politischen Regimes in Deutschland waren, dessen verbrecherische Absichten heute von so vielen schon nicht mehr in voller Schärfe gesehen werden. Wohlgemerkt – 1974.

 Es heißt dort weiter: Es will zeigen, wie entsetzlich sich bedingungslose Autoritätsgläubigkeit auswirken kann und welche zerstörerischen Folgen missbrauchtes Rechtsbewusstsein und der Mangel an persönlichem Mut haben können.

 Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 dieses Buch könnte uns aber glauben lassen, nur irgendwo da draußen im Reich habe sich die Fratze des Nationalsozialismus gezeigt, habe es diese unselige geistige Enge, habe es die Bekämpfung der Juden und ihre Vernichtung gegeben…
 

… nein, nicht nur irgendwo und ganz weit weg, fast theoretisch schon, sondern unmittelbar und mitten unter uns, in unserem Kreis, in unserer Stadt ebenso.

 Dieser Tage ist – bei einem hausinternen Umzug - eine Akte ans Tageslicht gekommen, in deren Originalen sich Nienburger Ereignisse in den Tagen nach der Reichskristallnacht wieder finden.

 Am 11.11.38  um 11:15 erhält die SA-Standarte 74 in Nienburg mit Sitz in der Friedrichstraße vom Stabführer der SA-Gruppe Nordsee folgenden Fernspruch:

 

  1. Die Judenaktion unbedingt beenden.
  2. Standarten melden direkt ohne Innehaltung des Dienstweges bis heute 19 Uhr schriftlich durch Eilbrief oder Melder der Gruppe den Verlauf der Aktion.
  3. Genaue Meldung ist erforderlich, welche Synagogen angesteckt und welche zertrümmert wurden. Begründungen, warum nur zertrümmert.
  4. Sind noch unbeschädigte Synagogen vorhanden.
  5. Weiter melden:

·        Wie viel jüdische Geschäfte wurden zertrümmert, welche Werte wurden beschlagnahmt, welche Werte davon wurden der NSV übergeben?

·        Welche Werte befinden sich bei der SA und wo?

·        Wie viel Bargeld wurde beschlagnahmt und wo ist dieses vereinnahmt?

·        Waren besondere Vorkommnisse (Widerstand)?

·        Wie viele Juden wurden bei Widerstand verletzt (Krankenhaus)?

·        Wie viele wurden bei Widerstand tödlich verletzt?

  1. Wie war die Zusammenarbeit mit Polizeidienststellen?
  2. Wie war das Verhalten der Staatsstellen (Oberbürgermeister, Bürgermeister, Polizei, Staatsanwaltschaft)?
  3. Wurden staatspolitisch und parteipolitisch wichtige Feststellungen gemacht, z.B. Juden in Wehrwirtschaftsbetrieben, bei Prüfung der Kundenlisten, Einkauf von Parteigenossen oder Beamten usw.
  4. Welche Konzentrationslager wurden provisorisch errichtet?
  5.  Wie viele Verhaftungen wurden vorgenommen?
  6.  Wie viele Juden wurden nach Entlassung der Frauen, Kinder und Greise der Stapo übergeben?

     

Dieses Dokument lässt deutlich werden, dass nicht ein emotional entgleister Mob über die Juden hergefallen ist, sondern staatlich organisierte Bürokratie.

 In das Fernschreib-Original eingetragen finden sich die mit Kopierstift gemachten Vermerke für eine Beantwortung, die am 12. 11. unter dem Aktenzeichen 1777/38 mit dem Betreff „Aktion gegen das Judentum“ erfolgt, und mit dem martialischen Satz beginnt: Die Aktion wurde unter guter Disziplin und außerordentlichem Kampfgeist durchgeführt. Danach folgt akribisch genau die Beantwortung der gestellten Fragen.

 Das Schreiben endet mit der Erklärung, insgesamt wurden 51 Verhaftungen vorgenommen. Nach Entlassung der Greise und Frauen betrug die Zahl der Verhafteten, die der Gestapo übergeben wurden, noch 34 männliche Juden, diese wurden noch am selben Tage abtransportiert.

 Verdrängen und Vergessen – wer wird das guten Gewissens können?

 Und wer nicht vergessen kann bzw. vor allem nicht will, der kann auch nicht weghören oder wegsehen. Der muss zur Kenntnis nehmen, dass immer wieder rechtsextremistisches Gedankengut sich zu verbreiten sucht.

Ein Blick in den Verfassungsschutzbericht 2005 zeigt, in welcher Vielfalt sich Rechtsextremismus und Neonazitum immer wieder neu formieren. Deswegen auch wird der Begriff Rechtsextremismus verstanden als ein Sammelbegriff für politische Orientierungen, Ideologien und Aktivitäten, die den demokratischen Verfassungsstaat ablehnen und durch eine autoritär geführte Volksgemeinschaft ersetzen wollen.

 Bereitschaft zur Gewalt ist dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt, teilweise wird ihr womöglich auch aus Gründen zur Tarnung offiziell abgeschworen. Dies darf uns aber nicht daran hindern, den Wolf im Schafspelz zu erkennen.

 Es gilt, den Anfängen zu wehren, jetzt und nicht erst später, wenn es zu spät sein könnte. Dabei ist es schon dann immer zu spät, wenn Mitbürger, häufig ausländische Mitbürger, durch Extremisten zu Schaden kommen. Menschenrechte sind die Rechte von allen Menschen, ohne jede Ausnahme – und dafür wollen wir eintreten.

 Meine sehr verehrten Damen und Herren,

seit über sechzig Jahren leben wir in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat. Und diesen Rechtsstaat gilt es zu schützen.

 Eugen Kogon schreibt in seinem bereits zitierten Werk:

 Kein System der Freiheit kann allerdings bestehen, ohne einen entwickelten, immer wachen Freiheitswillen seiner Bürger. Nie ist Demokratie ein Zustand, immer eine Forderung. Dieser Wille ist es, der jeder Vorherrschaftsideologie, kaum macht sie sich irgendwo bemerkbar, entgegentritt und ihr mit Nachdruck, in der Praxis des Alltags wie des Staates, die Anerkennung der Gleichheit der Grundansprüche aller entgegenstellt.

 So verstehe ich diesen Aktionstag mit seiner kulturellen Vielfalt. Mein Dank gilt deshalb den Initiatoren, die die rechte Antwort, die die richtige Antwort gefunden haben.
Ich hoffe sehr, dieser Tag wird ein Erfolg für alle, die sich den gültigen Werten unserer freien Gesellschaft, den Grundwerten unserer Demokratie verpflichtet fühlen.

 

 


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